Rudi Wrany und Gerald VdH (Warmebros) lassen 2025 Revue passieren - Jammern auf mittlerer Flamme. Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Oder, wie ich in dieser Ausgabe mit einem Glas Verjus in der Hand: auf ein weiteres Jahr Clubkultur-Podcast anstoßen. Und nachdem Podcast- und DJ-Kollege Gerald Wenschitz das längst als „Tradition“ verbucht hat, pflegen wir diese natürlich liebevoll weiter. (superfly.fm)
Was bleibt vom noch nicht ganz vergangenen Jahr?
Die Clubszene tut sich naturgemäß schwer in einer konsumschwachen Zeit. Zwischen düsteren Prognosen und Reallohnschrumpfung wird eben selektiver konsumiert. Großevents gewinnen an Bedeutung, am anderen Ende der Skala schießen Pop-up-DIY-Raves wie Herbstschwammerl aus dem Asphalt. Dazwischen: Mama-Parties, Detox-Abende, Seniorenkränzchen, Daytime-Formate und alles, was die algorithmusgeplagte Seele sonst noch hergibt.
Die finanzstarken Venues wie O oder Volksgarten schlafen ruhig. Andere, wie der Ponyhof, verabschieden sich sang- und klanglos. Und trotzdem entstehen ständig neue Lokale, Kollektive und Partyreihen. Elektronische Musik ist diverser als je zuvor, während die breite Masse laut Veranstalter-Insider am liebsten „mitsingbare Hochzeits-DJ-Musik“ bevorzugt. Ja eh.
Techno bleibt in Wien weiterhin in der Spittelau verwurzelt. Und die Jugend? Die feiert mittlerweile sogar beim Tchibo. Keine weiteren Fragen. Dazwischen eine VCC, die fleissig Newsletter verschickt und deren Anstöße auch ab und an Ergebnis bringen.
DAS JAHR 2025 IM SCHNELLDURCHLAUF
Jänner: Das Werk startet nach turbulenten Jahren neu. Ein Reset, der weniger Ego und mehr Community verspricht. Die Lighthouse-Crew feiert wie immer in Bad Gastein, unbeeindruckt von globalen Turbulenzen.
Februar: Die Pratersauna kündigt ihr Comeback an: ein Hybrid aus Club, Kunstraum, Aufenthaltsraum, Wellness und Awareness. Währenddessen entstehen neue Kollektive und DIY-Raves im Akkord. Es wird klar: Räume werden nicht vergeben, sie werden geschaffen.
März: Die Pratersauna öffnet tatsächlich. Internationale und lokale Acts demonstrieren: Trotz Teuerung und Pandemie-Nachwehen wird weiterhin investiert und gefeiert. Die Stadt Wien setzt „Free Spaces 2025“ um und definiert Rave-Zonen auf der Donauinsel. Freiheit, aber jetzt mit Genehmigungsnummern. Bürokratische Romantik.
April: Die Novelle des Veranstaltungsgesetzes tritt in Kraft. Traditionsstandorte wie die Arena erhalten Lärmbestandsschutz. Open-Air-Clubbings dürfen am Wochenende bis 23 Uhr laut sein. Awareness- und Umweltkonzepte werden verpflichtend. Die Szene ist gespalten: Fortschritt oder Verwaltungsalbtraum?
Mai: Donaufestival Krems & Hyperreality in Wien: Clubkultur als politischer, ästhetischer, queerer, feministischer, dekolonialer Möglichkeitsraum. Die Open-Air-Saison startet und testet die neuen Regeln. Mehr Klang, mehr Luft unter den Flügeln. Der „Anrainer“ bleibt aber der Endgegner. Void scheitert an der Lautstärke in der Metastadt. Wenigstens ist das Otto-Wagner-Areal nun weiterer Hoffnungsträger. Und 2026 kommt der Songcontest nach Wien dank Sieger JayJay.
Juni: Kruder & Dorfmeister spielen zwei ausverkaufte Konzerthaus-Shows. Ihre Transformation vom Club- zum Konzertact funktioniert weltweit - sagt die Statistik. Pride Month bringt Awareness, Drag, queere Nächte. Wien bleibt Wien: konfliktscheu, aber funktional.Beim Donauinselfest: hohe Besucherzahlen, kaum Vorfälle. „Soul Vienna“ macht wieder rich kid Parties, diesmal im Maya Garden.
Juli: Der Ponyhof schließt. Zu wenige Gäste, zu hohe Fixkosten. Die Szene trauert. Herzblut deckt leider keine Mieten.Auch das Jolly Roger verabschiedet sich leise, eine heiße Liebe war es aber nie.
August: Das Frequency zieht zehntausende Menschen an. Politische Kontroversen inklusive, aber insgesamt friedlich. Paradies Garten in Bruck/Leitha verbindet Musik und Nachhaltigkeit, wieder CO₂-neutral. Das Wetter: mittelprächtig. Nur Charlotte de Witte hatte offenbar einen direkten Draht nach oben.
September: Paul Kalkbrenner spielt vor Schloss Schönbrunn. Ein Pilotprojekt, das testen soll, ob Barock und Bass koexistieren können. Fortsetzungen sind geplant, allerdings mit weniger Bass. Das O eröffnet seine internationalen Freitage mit Carl Cox. Es folgen Fatboy Slim, Lilly Palmer, I Hate Models und viele mehr. Investitionsfreude, die man hört.
Oktober: Der Club „Inc.“ wird mitten im Betrieb versiegelt. Behördliche Nostalgiegefühle kommen auf. Nach Behebung der Mängel darf wieder geöffnet werden. Ein Reminder: Kreativität und Regularien tanzen eng umeinander.In der Innenstadt taucht „Bussi Bussi“ auf. Im „Sechser“ bleibt Afrohouse unantastbar.
November: Die Pyramide Vösendorf wird dank „Signal“ an zwei Wochenenden zum Großevent-Tempel. Und ja: Man brauchte wieder Charlotte de Witte, die erneut den Laden voll machte. Auch das Exil ein paar Meter daneben erwachte zu neuem Leben. Das FLEX wird irgendwie 30. Leider merkt es kaum jemand. Ein Club, der einst prägend war, wirkt heute wie eine schlecht gealterte Legende. Falsche Bookings, falsche Personalpolitik, düsteres Umfeld, null Charme. Wann kommt endlich die Neuübernahme?
Dezember: „Verknipt“ Österreich legt in der Pyramide nach. Hardtechno dominiert weiter. Void darf den Bauchfleck vom Mai ausbessern. Die Pratersauna geht nach Silvester in Winterpause. Details folgen. Hoffentlich. Und neben all dem lauten Drama gibt es auch stille Gewinner: Das Loft läuft stabil, ebenso Flucc und Kramladen. Das Sass raunzt gern, lebt aber immer noch laut. Das Roxy existiert weiterhin unverwüstlich. In der Praterstraße gibt es jetzt Pizza und guten House. Auch schön. Und auch KSOT bleibt eine Bank an Sonn-und Feiertagen, egal ob am Cobenzl, der Brauerei, am Schiff, in Graz oder Linz oder auch am Attersee. Das Lineup folgt wie immer kurz vor Beginn…
FAZIT 2025
Ein widersprüchliches Jahr:Die Zahl der Tanzlokale bleibt stabil, wirtschaftlich hängen viele am seidenen Faden. Junge Menschen gehen seltener und kürzer aus und konsumieren weniger. Clubs reagieren mit einer Formatvielfalt, die beeindruckt und nervt zugleich: alkoholfreie Partys, Ü30-Formate, Queer-Reihen, Daytime-Events. Clubs sind längst nicht nur Betriebe, sondern kulturelle Lebensadern. 2025 ist kein Totalschaden, aber auch kein Triumph. Eher ein Überlebenskurs mit Zukunftsfragen.
Hab ich was vergessen? Fix. Aber mehr hört ihr, wenn ihr hört…Und hört gern auch Warmebros von Gerald und seinem Partner Gregor Schmidinger. Ihm danke ich für das tolle Gespräch .